Es ist nun schon ein paar Wochen her, da entdeckte ich in meinem Ganzjahres-Blütenexperiment auf dem Tisch: SIE!
SIE ist eine Spinne. Etwa 1 cm groß. Mit Beinen.
Als Frühaufsteherin sitze ich spätestens um 5 Uhr am Frühstückstisch und freue mich über die ganzjährig blühende weiße Eisbegonie auf meinem Esstisch. Im letzten Winter habe ich ihr (und mir) etwas Luxus gegönnt und in die beiden Pendellampen, die über dem Tisch baumeln, Tageslichtleuchten eingeschraubt.
Das hat den Vorteil, dass die Blüten nicht, wie bisher, in Richtung Fenster wachsen, sondern in Richtung Lampe.
Im Sommer habe ich das Pflanzgefäß in meinen Gartenpavillon mit einer neuen Pflanzenkombi versehen. Den rotblättrigen Sauerklee habe ich in ein anderes Gefäß umgesiedelt, weil das Gelb seiner Blüten und das Rot seiner Blätter mir momentan besser im Wohnzimmer gefallen, wo er gerade im Spätwinter, so super zu der gelbblühenden Orchidee und der rot-grün gebänderten Vriesea passt.
Ich habe die Eisbegonien, die mich mit ihren kleinen, essbaren Spiegeleiblüten rund ums Jahr bezaubern, also neu kombiniert. Diesmal gesellte ich testweise Bubikopf und eine gelbgrün-dunkelgrün gebänderte Sansevieria , die mir auf der Festerbank zu ausladend geworden war, dazu.
Vor ein paar Wochen fiel mir auf, dass die Sanseverie eine Blütenknospe bildete. Fasziniert beobachtete ich täglich fasziniert, wie sie wuchs.

Eisbegonien, eigentlich eine kurzlebige Sommerblume, bei mir eine immerblühende Kostbarkeit!
Und plötzlich krabbelte etwas.
Ich spürte dieses Gefühl im Genick, genau dort, wo mir früher immer die Jungs alles Mögliche hingesetzt hatten. Damals, als meine Mutter mir noch jeden Morgen Zöpfe machte. Damals als ich mich noch nicht wehren konnte. Dieses gruselige Gefühl: Da ist was! Was ist das? Dieses unheimliche Gefühl, das sich immer bemerkbar macht, wenn ich einer Spinne gegenüber stehe. Und nun d i e s e Spinne! Auf meinem Esstisch!
Keine sonst übliche Spinnenspur hatte sie bisher verraten. Kein Netz wehte an der Pflanze. Keine Spuren von ihr (ihr wisst schon, diese kleinen verräterischen schwarzen Kleckse, ausgesaugte Fliegen, Spinnenhaut, undefinierbare Kügelchen) lagen auf dem Tischset.
Also machte ich mutig einen Deal mit ihr.
In Gedanken versprach ich ihr, sie in Ruhe zu lassen, wenn sie mich in Ruhe lässt.
Wir vertrugen uns in den nächsten Tagen gut. Es gab keinen Streit. Sie hielt sich an ihr Versprechen nicht übergriffig zu werden und das Gefühl im Genick wich ein paar zu Berge stehenden Haaren auf meinem Kopf.
Ich fragte mich, was wohl meine Gäste zu meinem neuen Haustier sagen würden. Soll ich sie auf meinen neuen Mitbewohner hinweisen oder abwarten, ob sie ihn von selbst entdecken?

Herrmann im Paradies 😉
Ich entschloss mich für die erste Variante. Überraschender Weise waren meine Gäste auch der Meinung sie zu tolerieren. Schließlich ist sie eigentlich das ideale Haustier. Sie verursacht keine Kosten. Sie füttert sich selbst. Als Toilette benutzt sie das kleine Biotop, das sie besiedelt hat. Man muss keine Steuer berappen. Man hört sie nicht. Man riecht sie nicht. Man muss ihr kein Terrarium einrichten. Man muss nicht mit ihr spazieren gehen.
Sie ist einfach für mich da! Und das freiwillig.
Also musste ein Name her. Witzigerweise fiel allen spontan für Sie, die Spinne, ein männlicher Name ein.
Wir suchten nach einem Namen, den niemand, den wir persönlich kennen, trägt. Denn es kann ja manchmal übel ausgehen, wenn man dem Richtigen den falschen Namen gibt.
Und so kam es, dass sie jetzt Herrmann heißt, vielleicht auch in der Hoffnung, sie versteckt keinen Eierballen, aus dem zahlreicher Nachwuchs schlüpft.
Also, herzlich willkommen Herrmann!